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Umsiedlung
Umsiedlung

Kreisübergreifende Kooperation von haupt- und ehrenamtlichen Naturschützern


Die geplante Renovierung eines denkmalgeschützten Fachwerkhauses in Wankum rief Anfang 2002 die Naturschützer auf den Plan. Jo Haal, Wildbienenexperte aus Wachtendonk, hatte schon vor Jahren den beeindruckenden Brutbestand verschiedener Wildbienenarten an der regengeschützten Nordwestseite dieses Hauses entdeckt.

Die solitär lebenden Wildbienen hatten in den weichen Kalk- bzw. Lehm-Mörtel zwischen den Steinen, aber teilweise auch in die Lehm oder (offenbar ungebrannten) Tonziegel, Gänge gegraben und dort hinein ihre Brut gelegt. In das in Kammern unterteilte Gangsystem tragen die Tiere von April bis Mai Pollen und Nektar und legen pro Kammer ein Ei dazu. Daraus schlüpfen dann Larven, die sich von dem Nahrungsbrei ernähren und sich anschließend verpuppen. Als Puppe verbringen die Tiere dann in den Gängen den Herbst und Winter. Im kommenden Frühjahr bzw. Sommer schlüpfen sie als ausgewachsene Bienen und vermehren sich während der nur wenige Wochen dauernden Lebenszeit. Dabei betätigen sie sich bei vielen Pflanzen (inklusive Obstbäume und -sträucher) kostenlos als Bestäuber.


Per Zufall erfuhr Jo Haal, dass das Haus Mitte 2002 renoviert werden soll. Dabei sollen die Auskleidungen der Gefache aus Lehm- und Tonziegeln inklusive der darin wohnenden Bienenbrut herausgenommen und durch Umsiedlung von Wildbienen in Wankum Kreisübergreifende Kooperation von haupt- und ehrenamtlichen Naturschützern neues Mauerwerk ersetzt werden. Die Eigentümer waren damit einverstanden, dass Naturschützer versuchen den Inhalt der Gefache samt Bienenbrut herauszulösen und umzusiedeln. Das erwies sich jedoch als leichter gesagt als getan.

Das Naturparkzentrum Haus Püllen übernahm zunächst einmal die Koordination dieser Umsiedlungsaktion. Über Mund-zu-Mund-Propaganda wurden Wildbienenfreunde gesucht, die bereit waren diesen nützlichen und völlig harmlosen Tieren eine neue Heimat zu bieten. Im Juni ging es dann los. Die Vorhut bildeten Mitarbeiter der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Kleve und des Naturschutzzentrum Kreis Kleve e.V.. Von ihren Erfahrungen profitierten dann 14 Tage später ehrenamtliche Aktive der NABU-Kreisverbände Kleve und Krefeld-Viersen sowie einige private Wildbienenbegeisterte.

Als beste Technik erwies es sich, die Ausmauerung der Gefache mit Lehmziegeln zunächst von den Holzbalken zu lösen und sie anschließend mit einem groben Sägeblatt in transportable Portionen zu zerschneiden. Dass dabei auch Nester der Wildbienen zerstört wurden, ließ sich nicht verhindern (ohne diese Aktion wäre der Inhalt aller Gefache schließlich herausgeschlagen und als Bauschutt verkippt worden). Ziemlich erstaunt waren die Naturschützer über das enorme Gewicht der herausgelösten Lehmziegelverbände. Sehr kritisch war der Moment, wenn der ca. 50 cm und 30-40 cm breite Ziegelverband aus dem Gefach herausgekippt worden war und aufgefangen werden musste. Besonders die Lehmziegelelemente zerbrachen dabei gerne entlang der Mörtelfugen. Mit extra für diese Aktion gebauten stabilen Kästen ließen sich die Ziegelverbände am besten auffangen. Einmal in diesen Kästen konnten die Elemente dann waagerecht liegend auch relativ gut eine steile Stiege heruntergetragen und per Auto zum neuen Standort transportiert werden. In ca. 2,5 Stunden gelang es so eine ca. 6 qm große Lehmziegelwand „auszubauen“. Die Tonziegelverbände ließen sich dagegen auch gut senkrecht auf ein Brett setzen. Sie wurden dann mit Kaninchendraht ummantelt, der wie eine Tasche geformt war und oben verschlossen werden konnte.


Die herausgelösten Lehmziegel- oder Tonziegelelemente wurden von den Naturschützern anschließend an einem neuen Standort aufgestellt. Dabei bewährte es sich passend zu den Ziegelverbänden Holzkästen zu bauen und diese absolut trocken z.B. unter einem Dachüberstand aufzuhängen. Trockenheit und Wärme am neuen Standort garantieren, dass die Bienenbrut sich ungestört weiterentwickelt. Besichtigt werden können die umgesiedelten Wandelemente mit Bienenbrut im Garten des Naturschutzzentrum Kreis Kleve (Rees-Bienen), auf dem Gelände des NABU-Naturschutzhof Sassenfeld (Nettetal-Hinsbeck) und ab 2003 auch im Bauerngarten von Haus Püllen (Wachtendonk).

Inzwischen liegen auch die Ergebnisse erster Untersuchungen der angetroffenen Bienenbrut vor. Volker Fockenberg von wildbiene.com, Wildbienenkenner aus Kirchhellen, konnte Nester der Pelzbiene Anthophora plumipes (= A. acervorum), der Seidenbiene Colletes daviesanus und der Mauerbiene Osmia rufa feststellen. Einige dieser Arten sind streng geschützt und stehen auf der Roten Liste NRW. Außerdem fand er in den zerstörten Ziegeln auch die typischen Parasiten der Wildbienen wie die Taufliege Cacoxenes indagator und die Assfliege Miltogramma punctatum. Im kommenden Frühjahr wird sich zeigen, ob sich die Mühe und der Aufwand gelohnt haben: Wenn aus den umgesiedelten Wandelementen die verschiedenen Bienenarten schlüpfen, wäre dies das größte Geschenk für die Naturschützer.